Buchrezension: »Die Moderne Diensthund-Ausbildung« von Karl-Heinz Klöpper
Herr Karl-Heinz Klöpper hat kürzlich ein Buch über die „Moderne Diensthund-Ausbildung“ herausgegeben, das ich gebeten wurde, mir anzuschauen und zu rezensieren. Mein beruflicher Werdegang von der Sortimentsbuchhändlerin (Unibuchhandlung) und diverse Praktika in Verlag und Druckerei sowie der „hundliche“ Teil meiner Vita (eigene Hundeschule seit 1986, Weiterentwicklung in Richtung Diensthunde und Sprengstoffspürhunde, Bewachungsgewerbe mit eigenem Sicherheitsdienst seit 2007) machen mich dazu vielleicht nicht ungeeignet.
Der erste Eindruck
Das Buch ist ein Hardcover, vom Autor selbst ohne Verlag in Umlauf gebracht. Sowohl Papierwahl, Illustrationen als auch Schnitt und Umbruch verraten, dass hier ein Laie am Werk war, der vom Handwerk des Büchermachens nichts versteht. Na ja, vielleicht versteht er etwas vom Handwerk des Ausbildens von Diensthunden. Wir schauen uns also den Text einmal an.
Schon beim Lesen der ersten Sätze wird schmerzlich klar, wieso „richtige“ Verlage ein Lektorat haben, und was passiert, wenn ein Text — unabhängig von der Qualität des Inhalts — unlektoriert bleibt. Grammatikalisch falsche Halbsätze mit falscher oder fehlender Zeichensetzung sind einfach nicht schön zu lesen und machen keinen guten Eindruck von Bildung und Ernsthaftigkeit des Autors. Schon ein guter Freund, der deutschen Sprache und Grammatik mächtig, der das Ganze einmal gegen gelesen hätte bevor es in den Verkauf geht, hätte dem Text mehr als gut getan.
Zum Inhalt
Nach der Danksagung folgt eins von vielen Kapiteln reine Aufzählung. Hier: welche Arten von Diensthunden es gibt und wie sie eingesetzt werden. Aufzählungen sind ein probates Mittel, um Seiten voll zu bekommen. Der Abschnitt „Security-Diensthunde“ vermerkt ganz richtig, dass es keine gesetzlich geregelte Ausbildung für Hunde in der privaten Sicherheit gibt. Das habe ich auch schon anders gelesen — ein Punkt für Herrn Klöpper.
Dann beginnt das erste dunkle Kapitel des Buches: „Das Wesen des Diensthundes“.
Anstatt brauchbarer Beurteilungskriterien, die, verständlich erklärt, für den Praktiker von tatsächlichem Nutzen sein könnten, folgt eine Aufzählung von beliebigen Begriffen, die, völlig willkürlich zusammengewürfelt, eine eigenartige Melange aus schwammiger Hundesportbegrifflichkeit und Ausbildungstermini aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bilden. Ich möchte keine Screenshots veröffentlichen, aber beispielhaft sei hier die ein oder andere Stilblüte zitiert:
„Das Temperament ist die Beweglichkeit auf psychischer Basis auf verschiedene Umweltreize.“
„Die Intensität dieses Triebdruckes, ist offenbar eine Kombination von der Mächtigkeit eines Triebes und einer Emotion.“
„Instinkte sind angeborene und im Erbgedächtnis verankert. Man spricht auch von Regulationsmechanismen.“
Fehler in Orthografie und Zeichensetzung wurden aus dem Original übernommen.
Hmm. Was will uns der Dichter wohl damit sagen? „Praxis trifft Wissenschaft“, heißt das Buch im Untertitel. Und wohin gehören Sätze wie die oben zitierten? Zu Wissenschaft nicht. Zu Praxis auch nicht. Leider ist das Buch voll von solchen Sätzen, die einfach zu schlecht recherchiert sind, um wenigstens richtig falsch zu sein.
Das Kapitel „Motivation und Belohnung“ folgt. Na vielleicht bekommen wir jetzt brauchbare Informationen zur Diensthundeausbildung — oder zu deren wissenschaftlichen Hintergründen. Leider ist gerade dieses Kapitel derart wirr und unverständlich, dass selbst mehrmaliges Lesen nicht dabei hilft, herauszubekommen, was der Autor eigentlich sagen will, und inwieweit das dort geschriebene dem Leser etwas über die Ausbildung von Diensthunden vermitteln könnte.
Das zieht sich leider wie ein roter Faden durch das gesamte Buch: mangelndes Wissen, so scheint es, soll durch exzessiven Gebrauch von als Fachtermini empfundenen Worthülsen bemäntelt werden. Dumm nur, wenn zum Nichtwissen auch noch sprachliche und logische Defizite kommen, die das Ganze in weiten Teilen vollends unverständlich werden lassen.
Stellvertretend für viele eine Blüte aus den „Anforderungen an Diensthunde“:
„Diese Kühnheit ist ein Teil des Typus für einen Diensthund, den man natürlich für die Verwendung als Diensthund benötigt.“
Kein Mehrwert für den Leser
Wenden wir uns den „Überprüfungskriterien“ zu: Auf drei Seiten dieses Kapitels ist eine interessante Übersicht möglicher Überprüfungskriterien für angehende DH und kommt als solches dem Versprechen des Buches nach, etwas Relevantes über Diensthunde zu berichten. Endlich. Leider ist das Ganze durch miserablen Satz und nicht vorhandenen Umbruch in Zusammenspiel mit dem schon angesprochenen schlechten Deutsch nur mit Mühe lesbar.
Um das Ganze nicht zu sehr ausufern zu lassen, überschlage ich die nächsten Kapitel, lese grob drüber und stelle fest, dass das Muster immer das Gleiche ist: Allgemeinplätze wechseln sich ab mit unverständlichen Zitaten aus zum Teil völlig irrelevanten Untersuchungen aller Art, derart gespickt mit Formeln und teils veralteten Fremdworten, dass sie, wenn sie nicht gleich fachlich falsch, dann doch für die Zielgruppe des Buches völlig wertlos sind.
Vieles scheint der Autor zudem selbst nicht verstanden zu haben, denn wie sonst kann jemand ernsthaft Sätze schreiben wie diesen: „Furcht- oder angstbedingte Aggression hemmen im Normalfall das aggressive Verhalten des Hundes.“ Oder: „Unter ‘positiver Strafe’ versteht man zum Beispiel die verbale Rüge, platt gesagt, das Schimpfen mit dem Hund.“ Das Buch ist voll von solchen Blüten, die jedem Mittelschüler miserable Noten im Aufsatz eingebracht hätten.
Ganz zum Schluss gibt es dann doch noch Erfreuliches zu berichten: das Kapitel über die Ausbildung der Sprengstoffspürhunde ist im Großen und Ganzen sachlich richtigen Inhalts und in lesbarem Deutsch geschrieben. Ein Kapitel, in dem wenig grob Falsches steht. Immerhin.
Fazit
„Die Moderne Diensthund-Ausbildung“ ist ein fast durchgehend schlecht gemachtes Buch, fachlich schlimm oder unverständlich — und zur Gewinnung brauchbarer, praxistauglicher Erkenntnisse ganz und gar ungeeignet. Ein Lichtblick sind die achtzehn Seiten über die Spürhunde — ob diese 18 Seiten allerdings den horrenden Preis rechtfertigen wage ich zu bezweifeln.
Will Klöpper mit seiner Kenntnis der verschiedensten Studien beeindrucken?
Es scheint, als glaube mal wieder einer, Diensthundeführer in der privaten Sicherheit seien so blöde, dass sie es nicht merken, wenn man ihnen unausgegorenes Halbwissen vorsetzt — solange man sich das nur teuer genug bezahlen lässt, wird es schon gehen. Das mag in Teilen stimmen, aber eben nur in Teilen. Wäre der Autor etwas bescheidener daher gekommen und hätte das Büchlein für, sagen wir, 8 Euro anstatt 80 Euro feilgeboten, wäre ich vermutlich gar nicht darauf angesprochen worden. Der, der wollte, hätte es sich gekauft und hätte es nach wenigen Seiten ins Bücherregal gestellt oder zum Altpapier gegeben. Das wäre für Herrn Klöppers Ruf bestimmt besser gewesen, und er hätte sich diesen Verriss erspart.
Ganz zum Schluss wiederhole ich eine Literaturempfehlung, die ich in Zeiten meiner Tätigkeit als Hundetrainerausbilderin jungen Berufsanfängern mit auf den Weg gegeben habe: Ein Buch von unschätzbarem Wert heißt „Des Kaisers neue Kleider“ und ist von Hans-Christian Andersen geschrieben.
„Aber er hat ja gar nichts an…!“
Update 29. Juli 2020
Der Autor des Buchs hat mir eine E-Mail geschickt, deren Inhalt ich meinen Lesern nicht vorenthalten will:
Sehr geehrte Frau Petschull,
bzgl. Ihres Blogbeitrages auf Ihrer Internetseite verwenden Sie mein Cover des Buches.
Ich habe Sie aufzufordern das Bild unverzüglich von allen Portalen zu entfernen und zukünftig nicht mehr zu verwenden, da es sich um mein Eigentum handelt, an dem ich das Urheberrecht habe.
Sollten Sie meiner freundlichen Aufforderung nicht nachkommen, werde ich einen Abmahnanwalt beauftragen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Klöpper
Email vom 28. Juli 2020
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